Asyl in Bayreuth
Als die ersten Sonnenstrahlen des Tages über die hohen Bäume des Röhrenseeparks hinweg in die Wilhelm-Busch-Straße fallen, biegt ein großer Reisebus um die Ecke. Er hält und die ersten erschöpften Menschen steigen aus. Viel Zeit zum Umschauen bleibt ihnen jedoch nicht. Sogleich werden sie von einem Mitarbeiter in ein Gebäude geführt und müssen in einem Warteraum Platz nehmen. Unter ihnen sind auch Ephrem aus Äthiopien, Mohammed aus dem Irak sowie Ferat aus Serbien.
Ankunft in Deutschland
Im Allgemeinen werden die Asylanträge vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge angenommen und geprüft (§ 14 AsylVfG). Eine betroffene Person, die nicht über die erforderlichen Einreisepapiere verfügt, muss jedoch bereits an der Grenze um Asyl ansuchen (§ 18 AsylVfG) oder sich im Falle einer unerlaubten Grenzüberschreitung unverzüglich bei einer Aufnahmeeinrichtung melden (§ 22 AsylVfG). Das Asylgesuch kann auch bei der Ausländerbehörde oder der Polizei eingereicht werden (§ 19 AsylVfG). In jedem dieser Fälle werden die asylsuchenden Menschen sodann einer Aufnahmeeinrichtung zugeteilt (§ 22 Abs. 2 AsylVfG), die ihnen für die erste Zeit als Unterkunft dient.
Die drei jungen Männer sind erst am vorherigen Abend der Erstaufnahmeeinrichtung in München zugeteilt und aufgrund von Platzmangel in die Übergangsaufnahmeeinrichtung in Bayreuth überstellt worden. Wie sie kommen wöchentlich im Durchschnitt 50 Personen in Bayreuth an.
Nach seiner Ankunft wird ein Flüchtling registriert. Neben der Aufnahme der Personalien hat er sich einer erkennungsdienstlichen Behandlung zu unterziehen. Während dieser wird eine Fotografie des Flüchtlings gemacht und dessen Fingerabdrücke genommen. Diese Informationen werden sowohl mit der europäischen Datenbank und dem Ausländerzentralregister abgeglichen als auch dem Bundeskriminalamt übermittelt. Abschließend wird dem Asylsuchenden ein Termin für die persönliche Anhörung mitgeteilt; die Terminvergabe erfolgt zurzeit jedoch häufig erst nach einigen Monate. Im Anschluss daran erhält er eine Aufenthaltsgestattung für die Dauer seines Asylverfahrens.
Die ersten Tage und Wochen in Deutschland
Während Ephrem nun mit seiner kleinen Familie ein Zimmer in der Regierungsaufnahmestelle (RAST) bezieht, werden Mohammed und Ferat ein Stockbett in der ehemaligen Becher-Lagerhalle zugeteilt. Auf engstem Raum, dreimal täglich vom Roten Kreuz mit Essen versorgt, werden die drei nun für einige Tage bis einige Wochen in Bayreuth „wohnen“.
Die Weiterverteilung auf eine Gemeinschaftsunterkunft erfolgt mit Hilfe des DV-Systems EASY (Erstaufnahmesystem Asyl). Dieses teilt die Flüchtlinge den verschiedenen Aufnahmestellen eines Bundeslandes zu, wobei die Zuständigkeiten der einzelnen Außenstellen des Bundesamtes für unterschiedliche Nationen Beachtung findet. Jedes Bundesland ist aufgrund des gesetzlich festgelegten Länderverteilungsschlüssels verpflichtet, einen bestimmten Prozentsatz an asylsuchenden Menschen aufzunehmen (§ 45 AsylVfG). Während dieses Zuordnungsprozesses wird kaum Rücksicht auf Individualinteressen genommen. Ausschlaggebend sind lediglich bereits in einer Erstaufnahmeeinrichtung lebende Familienangehörige ersten Grades.
Leben in Deutschland
Ephrem, Mohammed und Ferat beginnen erste Kontakt zu knüpfen: zu den Mitarbeitern des Sicherheitsdienstes, die 24 Stunde vor Ort sind, zu Mitgliedern des Vereins Bunt statt Braun, die durch Freizeitangebote die Wartezeit verkürzen wollen oder durch das Angebot einer Kleiderkammer, den ersten Bedarf der Menschen decken, zu Bayreuther Bürgern, die ihnen in der Stadt begegnen sowie zu Menschen mit Fluchthintergrund, denen Bayreuth als Wohnort zugeteilt wurde.
So sind zurzeit circa 202 Menschen in der Gemeinschaftsunterkunft für Asylsuchende im ehemaligen Kasernengebäude in der Wilhelm-Busch-Straße sowie etwa 114 in Wohnungen in der Stadt untergebracht. Diese dürfen die betroffenen Personen nach Vorgabe des Asylbewerberleistungsgesetzes erst dann verlassen, wenn sie als politische Flüchtlinge anerkannt sind oder ihnen Abschiebeschutz gewährt wird. Die Menschen stammen aus dem Irak und aus Syrien, aus Äthiopien und aus Somalia, aus Georgien und aus Tschetschenien und vielen weiteren Ländern, in denen die aktuelle Situation eine Flucht unausweichlich gemacht hat. In Bayreuth werden sie von fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Caritas-Verbands betreut. Zu deren Aufgaben zählt die Beratung und Begleitung während und nach dem Asylverfahren, die Informationen zu aufenthalts- und sozialhilferechtlichen Fragen, die Vermittlung an Fachanwälte und Fachberatungsstellen, die Hilfestellung bei der Korrespondenz mit verschiedenen Behörden sowie die Vermittlung an Ärzte im Krankheitsfall, die innerfamiliäre Krisenintervention sowie das Angebot einer Hausaufgabenhilfe für Schulkinder im Alter von 6 bis 16 Jahren. Zudem unterstützt und begleitet das Projektmov‘in des Caritasverbandes Flüchtlinge bei der Suche nach geeignetem Wohnraum. Neben der Wohnungssuche und der Beantwortung von Mietrechtsfragen, werden Einrichtungsgegenstände vermittelt und den Menschen ehrenamtliche Paten an die Seite gestellt.
„Diese Situation macht die Betroffenen krank.“ (JUNGBAUER 2009, 3), so das Resümee von Professor August Stich, Chefarzt der Missionsärztlichen Klinik in Würzburg, zur Unterbringung der Flüchtlinge in der Würzburger Gemeinschaftsunterkunft. „Stich nennt unter anderem hygienische Missstände (zahlreiche Bewohner teilen sich Toilette und Bad), Lärmbelastung, die große Enge (bis zu fünf einander fremde Männer in einem Zimmer, 57 Quadratmeter Wohnraum für eine neunköpfige Familie)“ (JUNG 2009). Entscheidend ist jedoch, dass diese belastenden Faktoren in einer Lebenssituation bewältigt werden müssen, die von der Unsicherheit über die eigene Zukunft und einem Gefühl der Aussichtslosigkeit und des Ausgeliefertseins geprägt ist. Das Risiko, daran zu zerbrechen, ist groß.
Zukunft in Deutschland?
Doch nun zurück zu den drei Neuankömmlingen. Während die kleine äthiopische Familie bereits nach einigen Tagen die Nachricht erhält, dass sie einem anderen Bundesland zugeteilt und somit in einer weiteren Erstaufnahmeinrichtung auf die endgültige Zuteilung zu einer Gemeinschaftsunterkunft warten muss, nimmt es bei Ferat vier Wochen in Anspruch, bis auch er sich mit dem Zug auf den Weg in eine Gemeinschaftsunterkunft in Oberfranken machen darf. Für Mohammed ergeben sich derweil ganz neue Möglichkeiten. Da Mohammed noch minderjährig ist und ohne eine erwachsene Begleitperson nach Deutschland kam, nimmt sich die Sozialhilfeeinrichtung Condrobs seiner an. Wie zurzeit 36 minderjährige unbegleitete Flüchtlinge kann er in eine Einrichtung zur Jugendhilfe ziehen und erhält die Möglichkeit zum Besuch einer Berufsschule in Bayreuth oder eines Sprachkurses.
Condrobs hat in Bayreuth im April 2013 die erste Jugendhilfeeinrichtung für unbegleitete Minderjährige in Oberfranken eröffnet. Seit 2014 bieten sie auch in von angemieteten Wohnungen einzelbetreutes Jugendwohnen an und fördern so die Verselbstständigung der jungen Menschen.
Und wie geht es weiter?
Großen Einfluss auf die Lebensbedingungen der Flüchtlinge hat der jeweilige Rechtsstatus, der den betroffenen Menschen verschiedene Rechte gewährt und Pflichten auferlegt. Hierbei ist zwischen einer unbefristeten sowie einer befristeten Aufenthaltserlaubnis, einer Aufenthaltsbefugnis, einer Duldung und einer Aufenthaltsgestattung zu unterscheiden. Die Einschränkung der Freiheit betroffener Personen nimmt im Hinblick auf diese Aufzählung von Status zu Status zu.
Deutschen Staatsbürgern weitestgehend gleichgestellt, sind Menschen, die im Sinne des Art. 16 a GG als politisch verfolgt gelten. Sie erhalten eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis.
Eine befristete Aufenthaltserlaubnis ist den Menschen vorbehalten, die nach § 60 Abs. 1 AufenthG nicht in ihr Heimatland abgeschoben werden dürfen. Das „kleine Asyl“ ermöglicht jedoch keine Teilnahme an Integrationsmaßnahmen der Arbeitsverwaltung. Ausnahmeregelungen gelten nur für junge Menschen im Ausbildungsalter beziehungsweise für Personen, die auch im Ausland als Flüchtlinge im Sinne der Genfer Menschenrechtskonvention anerkannt wurden. Nach einem achtjährigen Aufenthalt in Deutschland wird eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt.
Die größte Gruppe stellen jedoch diejenigen Menschen dar, die aus verschiedenen Gründen über eine Aufenthaltsbefugnis oder eine Duldung verfügen. Der erstgenannte Aufenthaltsstatus ist Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlingen vorbehalten. Hat sich die Bundesrepublik dazu entschieden, Menschen aus einer bestimmten Kriegs- oder Bürgerkriegsregion vorübergehend Schutz zu gewähren, erhalten diese eine Aufenthaltsbefugnis für zunächst höchstens drei Jahre. Diese kann jedoch verlängert werden (§ 26 Abs. 1 AufenthG) und gegebenenfalls nach achtjährigem Aufenthalt in der Bundesrepublik in eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis umgewandelt werden.
Eine Duldung erhalten Menschen, deren Abschiebung aufgrund von Abschiebungshindernissen gemäß § 60 Abs. 2, 3 oder 7 AufenthG befristet ausgesetzt wird (§ 60 a Abs. 1 AufenthG). Sie befinden sich in einer Situation ständiger Unsicherheit, da dieser rechtliche Status nur für kurze Zeit, höchstens aber für sechs Monate, gewährt wird und eine Verlängerung fraglich ist (§ 60 a Abs. 1 AufenthG).
Was das für Ephrem, Mohammed und Ferat bedeutet ist noch nicht abzusehen. Sie müssen die Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge abwarten – bei einer momentan durchschnittlichen Verfahrensdauer von 7 Monaten ist Geduld gefragt, nicht selten wird der Bescheid erst nach Jahren zugestellt. Bei allen dreien bleibt aber die Hoffnung: auf ein erfülltes Leben in Frieden und Freiheit – ob in Deutschland oder irgendwann einmal wieder in der eigenen Heimat.